Für viele ist der Begriff „Studienplatzklage“ mit dem Studienbeginn verknüpft und mit Klage um die Zulassung zum Studium im 1. Fachsemester im Fachbereich Medizin. Allerdings sind Studienplatzklagen auch im höheren Fachsemester bzw. für den klinischen Studienabschnitt möglich.
Einen solchen Fall konnten wir aktuell erfolgreich betreuen: Nach erfolgreicher Studienplatzklage wurde unser Mandant im 6. Fachsemester Human-Medizin an der Universität Hannover immatrikuliert. Die Studienplatzklage vor dem Verwaltungsgericht Hannover war erfolgreich, da es gelang nachzuweisen, dass die Universität Hannover ihre Aufnahmekapazität falsch berechnet hatte (Verwaltungsgericht (VG) Hannover, Beschluss v. 14.08.2020, Az.: I C 1867/20).
Das Prinzip der Studienplatzklage
Bei zulassungsbeschränkten Studiengängen (z.B. Humanmedizin, aber auch Zahnmedizin etc.) nutzen die Universitäten und Hochschulen ihre Studienplatzkapazität häufig nicht vollständig aus. Grund ist meist, dass sie patientenbezogene Kapazitäten und klinische Studienplätze für den Studiengang Medizin falsch berechnen.
Gelingt es, in einem gerichtlichen Verfahren die falsche Berechnung der Studienplatzkapazität nachzuweisen, verurteilt das Gericht die Hochschule, weitere Studienplätze zu vergeben. Anspruch auf diese „dazugewonnenen Studienplätze“ haben dann die Studierenden, die eine Studienplatzklage erhoben hatten. Wurden mehr Klageanträge gestellt als „erstrittene Studienplätze“ vorhanden sind, entscheidet das Losverfahren.
Damit bis zur Entscheidung über die Anzahl der Studienplätze keine wertvolle Studienzeit verloren geht, ist es möglich, den Studienplatz und eine vorläufige Zulassung zunächst im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (sog. „einstweilige Anordnung“) zu erstreiten. Dieses Vorgehen war in dem Fall der Studienplatzklage gegen die Universität Hannover angezeigt und letztlich auch erfolgreich.
Der Fall: Absage für Studienplatz Humanmedizin im 6. Fachsemester
Im Fall unseres Mandanten ging es um eine Zulassung zum 6. Fachsemester Humanmedizin an der Universität Hannover. Das Studium der Humanmedizin ist dort auch für höhere Fachsemester zulassungsbeschränkt. Grundlage dafür ist die geltende Hochschulverordnung und § 17 Abs. 2 Niedersächsische Kapazitätsverordnung (Nds. KapVO).
Die aktuelle Zahl der Studienplätze im ersten Semester belief sich nach Berechnung der Universität Hannover gemäß § 17 Abs. 2 Nds. KapVO auf 270 Studienplätze. Bei der Berechnung der Kapazität eines höheren Semesters wird die Zahl der aktuell im Semester immatrikulierten Studenten von der Zahl der Studienplätze im ersten Semester abgezogen. Da aktuell im 6. Fachsemester mehr Studenten immatrikuliert waren, als es nach Angabe der Hochschule Studienplätze im ersten Semester gab, wurde die Bewerbung unseres Mandanten mit Verweis auf eine Kapazitätsauslastung abgelehnt.
Dagegen richteten wir einen Eilantrag mit dem Ziel, dass unser Mandant noch im laufenden Sommersemester sein Medizinstudium fortführen konnte. Nach unserer Ansicht hatte die Universität Hannover ihre Kapazitäten in diesem klinischen Studienabschnitt nicht ausgenutzt. Die Beschränkung der Zahl der Studienplätze nach § 17 Abs. 2 Nds. KapVO war unzulässig, da diese Vorschrift nichtig ist.
Die Entscheidung: Aufnahmekapazität an der Universität Hannover falsch berechnet
Das Verwaltungsgericht gab dem Antrag statt. Das Verwaltungsgericht erklärte, dass die Vorschrift des § 17 Abs. 2 KapVO, welche die Universität Hannover als Grundlage für die Berechnung der patientenbezogenen Studienplatzkapazität heranzog, nichtig ist. Die darin enthaltene Berechnungsmethode wird den Vorgaben an eine plausible und erschöpfende Kapazitätsberechnung nach derzeitigem Kenntnisstand nicht gerecht.
Die Zahl der Studienplätze Humanmedizin war folglich falsch und deshalb neu zu berechnen. Bei der neuen Berechnung der patientenbezogenen Kapazität lehnte sich das Verwaltungsgericht an die Kapazitätsberechnung für den klinischen Studienabschnitt an. Es gelangte zu dem Ergebnis, dass im Wintersemester 2019/2020 nicht nur 270, sondern 297 Studienplätze zuzulassen waren.
Die Universität Hannover hatte daher nach Ansicht des Gerichts im 1. Fachsemester Medizin 27 Studienplätze mehr zur Verfügung als ursprünglich berechnet. Da für das Sommersemester 2020 insgesamt bereits 291 Studierende im 6. Fachsemester immatrikuliert waren, gab es für diesen klinischen Studienabschnitt noch 6 zusätzliche Studienplätze. Unser Mandant konnte daher im 6. Fachsemester der Humanmedizin zugelassen werden.
Fazit: Studienplatz Humanmedizin durch Studienplatzklage
Dieses Gerichtsverfahren gegen die Universität Hannover zeigte einmal mehr, dass sich eine Studienplatzklage lohnt. Gerade in höheren klinischen Fachsemestern hat eine Studienplatzklage erfahrungsgemäß gute Erfolgschancen.
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